Thomas Julier
White Rainbow Over a Mourning Landscape
Mit White Rainbow Over a Mourning Landscape entwirft Thomas Julier eine mehrteilige Erzählung, die in die Dorfgeschichte von Ernen eingebettet wird. Ausgangspunkt ist ein ungeklärter Brand: Ein Stall in der Nähe des Dorfes ging in Flammen auf, mehrere Schafe wurden getötet. Obwohl es keine Hinweise auf Brandstiftung gab, wurde ein Jugendlicher aus dem Dorf der Tat verdächtigt. Im Rathaus und im Jugendlokal entwickelt Julier verschiedene Erzählstränge und setzt sie miteinander in Beziehung.
Im Jugendlokal spürt er der Frage nach, was den Jungen in den Augen der Dorfbewohner/innen verdächtig gemacht hatte. The Arpeggiator of the Mind vergegenwärtigt das Gemenge aus Freundschaft, Liebe, Drogen und Musik, mit dessen Hilfe er und seine Freunde versuchten, aus der dörflichen Beklemmung auszubrechen.
Im Rathaus auf dem Dorfplatz, einst Ort der Gerichtsbarkeit des Zenden Goms und heute ein Museum, schlägt Julier ganz andere Töne an. Hier wird die Geschichte als Prozess inszeniert. In Gesprächen mit den Protagonisten und anhand von Fotografien der Schauplätze entfaltet die Erzählung sich in unerwartete Richtungen. Dabei gewährt sie Einblick in die verstörenden Tiefen der Dorfseele: The Deformed Child of Faith evoziert eine Zeit, in der die Beschuldigung des Jungen zu seiner Verurteilung und zum Tod am Galgen geführt hätte. Durch die Beziehungen, die Julier zwischen der fiktiven Anklage des Jungen und der historischen Realität herstellt, schafft er eine Denkfigur, in der sich Vergangenheit und Gegenwart wechselseitig durchdringen.
Eine lesenswerte englische Einführung in die Arbeit, verfasst von Martin Jaeggi, ist hier zu finden.
Thomas Julier (*1983) lebt und arbeitet in Zürich und Brig. Er ist freischaffender Künstler und Dozent an der Zürcher Hochschule der Künste. Das Goms ist ihm bestens vertraut: seine Familie stammt aus Ausserbinn und Fiesch. Seit seiner Kindheit verbringt Thomas Julier jedes Jahr einen Teil seiner Zeit in der Gegend.