Willimann/Arai

Mit der Rhone wandern

Das Projekt Mit der Rhone wandern des Künstlerinnen-Duos Willimann/Arai findet an zwei Ausstellungsorten und neun Veranstaltungstagen zwischen Sion und dem Rhonegletscher statt: Es beginnt am 22. Juli 2023 mit einem Basisstations-Apéro und der Vernissage einer Ausstellung im Miniature-Kunstraum Lemme in Sion. Darauf wandern Nina Willimann & Mayumi Arai in Begleitung von interessierten Mitwandernden in fünf Tagen nach Ernen, wo ein Pilger-Apéro stattfindet, bevor sie drei weitere Etappen bis zum Rhonegletscher in Angriff nehmen.

Die Künstlerinnen begehen den Rhein-Reuss-Rhone-Pilgerweg nach Santiago de Compostela in umgekehrter Richtung, von Sitten flussaufwärts bis zur Quelle des Rottens, dem Rhonegletscher. Die Idee einer künstlerischen Pilgerwanderung entstand aufgrund des Interesses der beiden Künstlerinnen für Pilgertraditionen und ihre unterschiedlichen Ausprägungen. Während in Japan Bäume, Berge oder Landschaften seit jeher Pilgerorte sind, etablierte das Christentum über Jahrhunderte einen Dualismus zwischen Natur und Mensch. Die Wanderung von Willimann/Arai stellt die Rhone als Element der «Natur» in den Vordergrund. Sie ist Begleiterin und Bezugspunkt der Wanderung und Zentrum der damit verbundenen künstlerischen Recherche: dem Sammeln von flussverbundenen Geschichten, in welchen die Rhone als handelndes Subjekt auftritt.

Das Geschichtenerzählen ist genauso wie das Pilgern eine alte Kulturtechnik des Menschen, um der Welt Sinn zu verleihen. Geschichten formen die kollektive Wahrnehmung unserer Lebenswelt. Angesichts der sich abzeichnenden Klimakatastrophe, die im Abschmelzen des Rhonegletschers sichtbar wird, suchen Willimann/Arai nach Geschichten, welche die dominante, westliche, moderne Erzählung der Naturbeherrschung durch den Menschen aufbrechen. Dabei greifen sie einerseits auf die Sagenlandschaft des Wallis zurück – auf Spuren eines vormodernen Verständnisses der Welt, in dem Menschen sich als Teil einer belebten Natur sahen, auf die Rücksicht genommen werden muss. Andererseits sammeln sie von Mitwandernden und Zufallsbekanntschaften persönliche (wahre und erfundene) Geschichten und Erlebnisse, die mit der Rhone verbunden sind. Ziel ist es, der dominanten Erzählung viele verschiedene, alternative Erzählungen an die Seite zu stellen und auch die Rhone selbst für sich sprechen zu lassen.

Die gesammelten Geschichten zeichnen Willimann/Arai mittels Kartierungen auf und geben sie mündlich an andere Mitwandernde weiter. Die täglich entstehenden Zeichnungen wiederum schicken sie mit der Post nach Ernen, wo sie in einem Schaufenster ausgestellt werden. Das Kartieren ist eine erprobte Dokumentationsmethode des Duos. Dieses Medium erlaubt ihnen, lineare Erzählungen in simultane Bilder zu verdichten und verschiedene Geschichten gleichwertig nebeneinander stehen zu lassen. Die Zeichnungen haben keinen Anspruch auf objektive Repräsentation und lassen Raum für die Interpretationen der Betrachter*innen. Damit suchen sie bewusst den Kontrast zur naturwissenschaftlichen Kartografie.

Daten und Wanderroute:

Sa, 22.7. – 14 Uhr Sion Basisstations-Apéro mit Willimann/Arai, Vernissage der Ausstellung in Lemme
So, 23.7. – 1. Etappe Sion – St. Léonard
Mo, 24.7. – 2. Etappe St. Léonard – Salgesch
Di, 25.7. – 3. Etappe Salgesch – Gampel
Mi, 26.7. – 4. Etappe Gampel – Brig
Do, 27.7. – 5. Etappe Brig – Ernen
Fr, 28.7., 16.30 Uhr Ernen Pilger-Apéro in Ernen, Gespräch mit den Künstlerinnen und Pfarrer Vitus Nwosu
Sa, 29.7. – 6. Etappe Ernen – Münster
So, 30.7. – 7. Etappe Münster – Oberwald (Hotel Rhonequelle)
Mo, 31.7. – 8. Etappe Oberwald – Rhonegletscher

Vom 22. Juli bis 9. September 2023 sind im Kunstraum Lemme in Sion historische Darstellungen zu sehen, welche den Fluss und den Rhonegletscher zum Thema haben und den visuellen Referenzrahmen der Recherche von Willimann/Arai aufspannen.

Auf der Publikationsplattform INSERT. Artistic Practices as Cultural Inquiries erschien der Artikel Interweaving Stories With Landscapes: The gift exercise / Invitation 9: Sion – Furka, ローヌ巡礼/ Walking with the Rhone von Willimann/Arai.

Mayumi Arai, 1988 in New York geboren und in Tokio aufgewachsen und Nina Willimann (*1982), aufgewachsen auf dem Land in der Innerschweiz, haben sich 2015 in Hongkong kennengelernt. Seither arbeiten sie zusammen. Willimann/Arai beziehen sich in ihren recherche- und prozessbasierten Arbeiten jeweils auf einen konkreten Kontext oder Ort und untersuchen dessen lokale und globale Verflechtungen. Oft arbeiten sie dabei mit den Bewohner*innen dieses Ortes oder mit Expert*innen aus der Wissenschaft und anderen Bereichen zusammen. In ihren Recherchen interessieren sich Willimann/Arai für Phänomene und Subjekte, die moderne Trennungen wie Natur–Kultur, Ost–West sowie das Eigene–Fremde befragen oder überwinden. Dabei entwickeln sie multiperspektivische Erzählungen und knüpfen spekulative Bezüge.

https://willimannarai.net